Vor einigen Jahren kam ich nach einer OP nicht mehr richtig zu Kräften. Damals fertigte ein junger Mann, sein Name ist Tao, aus China seine Masterarbeit unter meiner Betreuung an. Er meinte: „Kerstin, du musst jetzt anders essen bis du wieder fit bist. Ich werde für dich kochen!“ Von da an kochte er einige Zeit für mich und wir aßen gemeinsam zu Mittag. Es gab lange geschmorte Gerichte, hauptsächlich Lamm, mit viel Ingwer, auch Zimt und Knoblauch und eine spezielle Auswahl an Gemüsen. Es hat nicht nur gut geschmeckt, sondern tat meinem Organismus auch außerordentlich gut.
Er erklärte mir, dass meinem Körper seit der OP die „Wärme“ fehle und dass diese mit der Zusammenstellung der Nahrungsmittel und der langsamen Zubereitung, die viel „Energie“ in die Nahrung bringe, zurückgeführt werde.
Ich erfuhr, dass sein Vater in seinem Heimatdorf in China die ganze Nachbarschaft bei Krankheiten nach den Prinzipien der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) beriet und versorgte. Von ihm stammten auch die von Tao zubereiteten Rezepte.
Ich wollte mehr wissen, denn die Ernährungslehre, die Tao mich hat in ihrer Wirkung erleben lassen, ist nur eine der fünf Säulen der TCM.
Was ist also TCM?
Was wir heute weltweit mit Traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) bezeichnen, ist ein Medizinsystem, das in dieser Form in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts in China entstanden ist. Seine Wurzeln gehen viele Jahrtausende zurück. Es entstand aus einer Kombination der verschiedenen alten ostasiatischen medizinischen Systeme in der Auseinandersetzung mit der neu etablierten modernen Medizin.
„Die frühesten Grundlagenwerke für die TCM wurden vor über 2000 Jahren in China geschrieben und haben heute noch Gültigkeit. Eines der wichtigsten Bücher ist das «Huángdì Nèijīng». Dieser Klassiker wurde ca. im 2. Jahrhundert v. Chr. als Gespräch zwischen dem Kaiser Huang Di und seinem Minister Qi Bo verfasst. Darin werden zum ersten Mal die theoretischen Grundlagen der chinesischen Medizin sowie der Akupunktur beschrieben. Sie sind heute noch wichtig und Grundlage der TCM.“ schreibt der TCM-Fachverband Schweiz auf seiner Internetseite.
Im Zentrum dieses ganzheitlichen Heilsystems steht die Vorstellung von der Lebensenergie, dem Qi. Es durchströmt den Körper durch sogenannte Meridiane. Gesundheit bedeutet freien, harmonischen Qi-Fluss. Krankheit ist Ausdruck von Blockaden, Mangel oder Überschuss. Anders als die westliche Medizin zielt die TCM nicht auf die Bekämpfung einzelner Symptome, sondern auf die Wiederherstellung innerer Balance. Innere Balance bedeutet nach dem Konzept der TCM auch das Gleichgewicht zwischen Yin und Yang im Körper. Yin und Yang sind zwei sich polar ergänzende Kräfte. Dabei werden Yin die Eigenschaften „kühl, passiv, feucht und innen“ zugeordnet und Yang „warm, aktiv, trocken und außen“.
So heißen zum Beispiel in der TCM solche Krankheiten mit den Symptomen Frieren, Müdigkeit, Durchfall und kalten Gliedmaßen „Kälte-Krankheiten“. Sie entsprechen einem Yang-Mangel. In einem solchen Zustand befand ich mich nach meiner OP.
Entzündungen gehören zu den „Hitze-Krankheiten“ und gehen mit einem Yin-Mangel einher,usw...
Weitere Konzepte, mit denen in der TCM die Prozesse im Körper gedeutet werden sind „Die Fünf Wandlungsphasen“ oder „Fünf Elemente“ Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser, die ihre Entsprechung in den Organsystemen Leber-Gallenblase, Herz-Dünndarm, Milz-Magen, Lunge-Dickdarm und Niere-Blase finden und das Konzept der 12 Leitbahnen.
Die Diagnose von Ungleichgewichten, die laut TCM die Ursache von Krankheiten sind, erfolgt hauptsächlich über eine Pulsdiagnose und/oder eine Zungendiagnose. Hierbei verraten Form, Farbe und Qualität der Zunge sowie die 28 verschiedenen Pulsqualitäten den Therapeuten die inneren Abläufe im Körper. Außerdem fließen natürlich die Erkenntnisse aus der Befragung und der Beobachtung des Patienten in die Gesamtdiagnose ein.
Die Therapie in der TCM steht auf fünf Säulen:
- Akupunktur & Moxibustion: Feine Nadeln (Akupunktur) oder Wärmereize (Moxibustion) an definierten Punkten regulieren den Energiefluss in den Meridiansystemen und aktivieren die Selbstheilungskräfte. Mehr Informationen zur Akupunktur gibt es im entsprechenden Blog-Artikel „Akupunktur - bringt Heilung auf den Punkt“.
- Arzneimitteltherapie: Vielschichtige Mischungen aus Pflanzen, Mineralien und tierischen Substanzen – individuell abgestimmt auf Konstitution und Beschwerdebild entsprechend der oben genannten Konzepte – helfen dem Körper zurück ins Gleichgewicht.
- Qigong & Taiji: Diese meditativen Bewegungsformen zur Kultivierung von Qi, zur Stärkung von Körper und Geist, erhalten die innere Balance oder stellen sie wieder her. Vor drei Monaten habe ich selbst mit Taiji angefangen. Ich bin gespannt, was sich in und mit meinem Körper tun wird und werde hier im Blog berichten.
- Ernährungslehre: Ernährung wird nach der energetischen Wirkung von Nahrungsmitteln – z.B. kühlend, wärmend, befeuchtend oder trocknend – zum Ausgleich von Mängeln und Überschüssen gezielt eingesetzt.
- Tuina (Heilmassage) & manuelle Therapie: Die Kombination aus Massage, Akupressur und Gelenktechniken fördert den Energiefluss und lindert Schmerzen.
In China gehört die TCM zur regulären medizinischen Versorgung. In westlichen Ländern gewinnt sie zunehmend an Bedeutung – sowohl als komplementäre Therapie als auch als eigenständiger Zugang zur Gesundheitspflege. Kritiker bemängeln die uneinheitliche Studienlage und mangelnde naturwissenschaftliche Fundierung, doch viele Patienten berichten von wirksamer Linderung chronischer Beschwerden – etwa bei Schmerzen, Allergien, Verdauungsstörungen oder Erschöpfung und vielem mehr.
In Deutschland übernehmen gesetzliche Krankenkassen nur sehr eingeschränkt Leistungen der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Das finde ich persönlich sehr schade, denn dieser ganzheitliche Zugang zu Heilung eröffnet in der Vorbeugung und bei vielen Krankheiten neue und hoffnungsvolle Perspektiven.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen freien und harmonischen Fluss der Lebensenergie Qi!
Herzlichst
Ihre Kerstin
Viele weitere gute Informationen halten die Fachverbände, wie z.B. der AGTCM-Fachverband für chinesische Medizin, oder der TCM-Fachverband Schweiz für Sie bereit.